Expedition Kanada 2025: Hinter den Kulissen der Forschung

Mitte Juli hieß es für mich zum zweiten Mal: Tasche packen – auf nach Kanada, hinein in die Wildnis unserer Schutzgebiete.

Nach der extrem regenreichen Expedition im letzten Sommer standen dieses Mal Winterjacke und die dicken Wollsocken ganz oben auf meiner Packliste. Mit den Erinnerungen an klatschnasse Tage auf der letzten Expedition nach Kanada war ich überzeugt, nun bestens Bescheid zu wissen. Kleiner Spoiler: Es hat kaum geregnet! Meine Winterjacke blieb im Rucksack, und mein städtisch geprägtes Naturwissen wurde mit einem Augenzwinkern eines Besseren belehrt.

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In unsere Schutzgebiete geht es meist per Boot - Allen steht die Vorfreude ins Gesicht geschrieben.

Die diesjährige Expedition stand ganz im Zeichen der Forschung

Schon Monate im Voraus hatten wir einen detaillierten Monitoring-Plan für unsere Expedition entwickelt, der vorgibt, wie wir in den Schutzgebieten Daten erheben.

 

Wir starten mit dem  “Rapid Assessment” aller neuer Flächen. Dabei wird die “Schutzwürdigkeit” des Gebietes bestimmt. Entscheidend dafür sind unter anderem die Artenvielfalt, CO2-Speicherkapazität, geografische Lage und akute Bedrohung.

 

Nach dem Landkauf erstellen wir ein “Basisinventar”, also eine erste Auflistung der Tier- und Pflanzenarten, die wir dort finden.

 

Diese Liste dient als Ausgangspunkt für das darauf folgende Langzeit-Monitoring, mit dem wir über Jahre hinweg Biodiversitäts- und Ökosystemveränderungen dokumentieren.

 

Als i-Tüpfelchen kommen sogenannte "Spezialforschungsprojekte" hinzu, die spezifischeren wissenschaftlichen Forschungsfragen auf den Grund gehen. All diese Daten nehmen wir auf, um den Wert der Wildnis besser greifbar zu machen und den konkreten Impact unseres Handelns zu messen und datenbasiert zu kommunizieren. 

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Neben Urwäldern schützen wir auch Moore, da sie genauso wichtige und gefährdete Ökosysteme sind. Von oben wirken sie ziemlich karg - denn die wahren Schätze sind oft metertief unter der Oberfläche verborgen.

Auf gehts, die Geheimnisse der Wildnis in Daten greifbar zu machen

Um diesen Plan in die Praxis umzusetzen, waren wir zwei Wochen lang auf acht verschiedenen Landstücken in British Columbia unterwegs. Besonders eindrücklich war dabei für mich die beiden Moorforschenden Prof. Dr. Jürgen Kreyling und seine Doktorandin Hanna Martens vom Greifswald Moor Centrum bei ihrer Arbeit zu begleiten. Ihr Ziel war es, mehr über die Kohlenstoffspeicher der Moore in unseren Schutzgebieten herauszufinden, denn diese sind bisher - bis auf grobe Schätzungen - nahezu unerforscht. 

 

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Hanna und Jürgen bohren mit dem Torfbohrer tief ins Moor, um den Kohlenstoffgehalt der Moore zu bestimmen.

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Moore formen sich natürlicherweise, wenn die Wasserzufuhr den -abfluss übersteigt. Somit sind sie meist in Senken oder Tälern vorzufinden. Nicht so auf Porcher Island! Hier regnet es so viel, dass Moore sogar auf Bergkuppen und Hängen entstehen - und man von dort direkt auf den Ozean schauen kann. Jürgen, der auf verschiedensten Exkursionen schon die Moore der Welt erkunden durfte, war von dieser Tatsache begeistert und meinte, er habe noch nie in einem Moor mit so einer überwältigenden Aussicht geforscht. Jürgen und Hanna waren sogar so inspiriert, dass sie es kaum erwarten konnten, ihre Ergebnisse zu veröffentlichen und haben noch direkt vor Ort begonnen, ihre Publikation zu schreiben. Sie sind jetzt schon überzeugt, dass das oft unterschätzte Ökosystem Moor dank ihren Erkenntnissen eine ganz neue Wertschätzung erfahren wird!

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So eine Aussicht vom Moor ist auch für Moorforscher Prof. Jürgen Kreyling eine Seltenheit. Sie zeigt, dass die Region so regenreich ist, dass sich selbst auf Bergkuppen Moore formen!

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Auch Chris Ketola, Head Field Research Coordinator bei WI, stapfte tagtäglich durch dichtes, unwegsames Gelände und krabbelte durchs Unterholz, um neue Kamerafallen und Fledermaussensoren auszubringen und Arteninventuren zu erstellen. Begleitet wurde er dabei oft von Michael Zhang, einem Biologiestudenten aus Kanada und Stipendiaten des Bamfield Marine Science Centers. Tom und Kai Andersch kartierten mit Drohnen und Vor-Ort-Assessments die Intaktheit, Biodiversität und Kohlenstoffspeicherung neuer Flächen. Ich selbst war nicht nur für das Aufstellen der Malaisefallen – Zeltfallen zum Fang von fliegenden Insekten – zuständig, um auch die kleinsten Lebewesen unserer Schutzgebiete zu erfassen.

 

Neben der wissenschaftlichen Arbeit hab ich gemeinsam mit unserer Cooperation und Special Project Managerin Chris Hoffmann und meinem kanadischen Kollegen Marco Lou die Expeditionsplanung, Camp-Organisation und Datenmanagement koordiniert – vom täglichen Ablaufplan bis hin zur logistischen Abstimmung unseres Equipments, damit alle Teams effizient arbeiten konnten. Besonders bereichernd fand ich vor Ort auch die Zusammenarbeit mit langjährigen Partnern wie Dominik Günther von DIAMIR Erlebnisreisen sowie neuen Partnern wie Angélique Vacher von Caudalie. Beide waren mit im Schutzgebiet, um sich ein Bild von der Wirkung ihrer Spenden zu machen und unsere Projekte noch besser zu verstehen. Gleichzeitig packten sie tatkräftig mit an – sei es beim Tragen schwerer Ausrüstung durch den dichten Wald oder hochmotiviert beim Kochen in der Camp-Küche.

 

Am Ende waren wir uns alle einig: Für die Forschung war diese Expedition ein voller Erfolg. Wir sind mit einer Fülle an Daten zurückgekehrt, werten sie nun sorgfältig aus und können es kaum erwarten, die Ergebnisse mit euch zu teilen.

Ein Rucksack voller Demut.

Doch neben den Daten (und meiner ungenutzten Winterjacke) nehme ich noch etwas mit zurück nach Deutschland, was schwer in Worte zu fassen ist. Erinnerungen an einen ganz besonderen Fleck Erde, der so wunderschön ist, dass mir vor Ehrfurcht die Worte fehlen. Es sind nicht die einzelnen Tierbegegnung (und davon gab es echt viele!), es sind auch nicht die gigantischen Urwaldriesen (und davon gab es auch echt viele!), und auch nicht die beruhigende Stille des Moors - es ist diese Verbundenheit, die ich in jedem noch so kleinen Moment auf Porcher spüren durfte. Der Sonnenstrahl, der golden durch einen moosbehangenen Ast bricht. Die klare Luft, die die Lungen mit Freiheit füllt. Die Muschel, die mitten im Wald geheimnisvoll glitzert. In all den Momentaufnahmen habe ich sie gespürt: Die tiefe Verbundenheit zwischen mir und jedem noch so winzigen Puzzleteil des Ökosystems.

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Die Rinde dieses abgestorbenen Stammes zu spüren, in dem Wissen, dass er schon viele hundert Jahre dort stand und nun Nährstoffe und Lebensraum für weitere hunderte Tiere und Pflanzen bieten wird, löst pure Dankbarkeit in mir aus.

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Ich habe mir in diesen Momenten auf der Expedition versprochen, alles zu geben, um mit all den wissenschaftlichen Daten, Bildern und Videos zumindest zu versuchen, dieses Gefühl einzufangen und es Anderen mitzubringen und erlebbar zu machen. Denn ich finde, genau dieses Gefühl ist es, warum wir auf dieser Erde sind: um die Schönheit der Welt zu spüren und unsere Herzen von ihr berühren zu lassen. Wenn ich mir etwas wünschen könnte, wäre es, dass jeder Mensch dieses Staunen einmal selbst erleben darf, heute, und auch noch in ganz ferner Zukunft. Dafür setzen wir uns auf Expedition und an allen anderen Tagen des Jahres ein, um zum Verstehen der Natur beizutragen. Denn nur das, was wir verstehen, lieben wir auch und nur das, was wir lieben, schützen wir auch.

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Autorin
Wilderness International
Marie Schreiber
Science Communication

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